Der Historiker Rutger Bregman setzt sich mit dem Wesen des Menschen auseinander und meint, der Mensch sei im Grunde gut. So hat er sein Buch1 benannt, der Untertitel lautet: „Eine neue Geschichte der Menschheit“.
Bregman leitet diesen Zustand des Menschen aus der Geschichte ab; dabei sollte man meinen, dass daraus doch eher auf ein eigennütziges, bösartiges Wesen zu schließen sei.
Kann der kriegerische und zerstörerische Drang des Menschen durch eine autoritäre Macht im Zaum gehalten werden, durch einen mächtigen Leviathan zum Beispiel, wie der Philosoph Thomas Hobbes (1588–1679) es sah? Laut Hobbes würde der ungezähmte Mensch unweigerlich zu einem wilden Tier.
Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) hingegen hielt die Zivilisation für das eigentliche Verderbnis: Sie habe den Menschen aus seinem seligen Naturzustand gerissen, ihm die Freiheit geraubt und ihn zu einem zynischen Egoisten gemacht.
Wer könnte den zerstörerischen Drang
des Menschen im Zaum halten?
Bregman widerspricht beiden. Für ihn fußt die Wirtschaftswissenschaft zu sehr auf einem Hobbes’schen Menschenbild: dem eines rationalen und egoistischen Individuums. Rousseau hingegen habe weiterhin zu starken Einfluss auf die Pädagogik, laut der Kinder so frei wie möglich aufwachsen sollten (antiautoritär).
Wie erklärt man dann das Böse?
Was macht Bregman mit dem Holocaust, dem kaltblütig geplanten und ausgeführten Mord an sechs Millionen Juden? Der Holocaust ist doch das Beispiel für unfassbare Grausamkeit, die Ausgeburt des äußersten Bösen, zu dem der Mensch nur fähig ist. Bregman folgt hier der Philosophin Hannah Arendt und betrachtet Adolf Eichmann, den Organisator der Schoa, als Paradebeispiel für die „Banalität des Bösen“. Demnach sei Eichmann kein Monster gewesen, sondern ein pflichtbewusster deutscher Schreibtischtäter – er habe gehandelt aus der Überzeugung, Schaden abzuwenden von dem Staat, dem er diente.
„Der Holocaust wurde […] nicht von Menschen angerichtet, die sich plötzlich in Roboter verwandelt hatten. […] Die Täter waren davon überzeugt, dass sie auf der richtigen Seite der Geschichte standen.“2
Für Rutger Bregman ist es nachvollziehbar, dass Menschen, die Grausames tun, dies aus Überzeugung tun, weil es in ihren Augen etwas Gutem dient.
Bregmans zentrale These
Die Behauptung, die Humanismus-Schicht sei bloß dünn, unsere Zivilisation nur ein fragiler Anstrich über einem dicken Untergrund aus Egoismus, Bosheit und feindseligem Naturzustand, diese Behauptung ist in seinen Augen schlicht falsch – und zwar deshalb, weil wir alles, was wir über die Welt wissen, aus den Medien konsumierten, so Bregman. Gewalt, Krieg und Co. seien aber nur die Ausnahmen, die die Regel bestätigten; die Nachrichten wirkten wie eine schlechte Droge und würden uns permanent gefangen halten im „Gemeine-Welt-Syndrom“. Es sei Zeit für einen neuen Realismus, so Bregman: Wir seien viel besser, als wir glauben.
Auch Sokrates (468–366 v. Chr.) glaubte an das angeborene Gutsein des Menschen und an die Möglichkeit, dieses durch Vernunft und Selbsterkenntnis entfalten zu können. Seine Methode der „Hebammenkunst“, die Mäeutik, zielte darauf ab, sein Gegenüber wie von selbst zu den richtigen Antworten zu führen; dadurch würde die inneren „Wahrheiten“ ans Licht kommen.
Johann Gottlieb Fichte (1762–1814) sah im Menschen die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis und Selbstvervollkommnung: Durch moralische Anstrengung und Willenskraft könne der Mensch seine eigene Bestimmung und das Gute in sich verwirklichen.
Ja, es gibt solche, die an das Gute im Menschen glauben
Aber was ist gut? Einst wurde jemand angesprochen: „Guter Lehrer, was muss ich tun, um …?“3
Die Antwort war verblüffend: „Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als nur einer …“
Sokrates glaubte an das angeborene Gutsein des Menschen
Er hätte die Fähigkeit zur Selbstvervollkommnung durch moralische Anstrengung, meinte Fichte
Ein anderer schrieb, und viele sehen das als den Gipfel der Selbsterkenntnis: „Das Gute, das ich will, übe ich nicht aus – sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“4 Derselbe schrieb auch: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit dem Guten!“5
Doch „Bad news are good news“, die Medien leben davon: je böser, umso höher die Quoten und Auflagen.
Wo kommt das Böse eigentlich her?
Ist der Mensch das schreckliche Endergebnis einer ansonsten gut verlaufenen Evolution, ferngesteuert von animalischen Trieben? Nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik unterliegt die Natur dem Zerfall: Die unbrauchbare Energie nimmt zu. Das nennt man Entropie, auch bekannt als „Maß für Unordnung“.

Foto: © dreamstime, Jared Richardson
Von wegen Höherentwicklung! Die Summe der Energie bleibt zwar gleich, aber der nutzbare Anteil nimmt unweigerlich ab – es sei denn, es würde neue Energie zugeführt von außerhalb des Systems. Wenn es die Turbine angetrieben hat, ist die Energie des Wassers eines Stausees verbraucht; man müsste es erst mit zugeführter Energie wieder hochpumpen.
Die Ursache von Entropie
Vor längerer Zeit an einem lauen Sommertag durchstreifte ein Pärchen ein Areal mit tausenden, ja abertausenden unterschiedlicher Bäume; unsere beiden waren auf dem Weg zum ultimativen Lebenselixier in der Mitte des Reservats. Dort gab es alles in Hülle und Fülle und sie hatten den Forschungsauftrag, all diese unzähligen Arten minutiös zu katalogisieren. Erkundung „mit allen Sinnen“: die Schale ertasten, dran riechen, reinbeißen und es krachen hören – und dann erst die feinen Nuancen des Geschmacks … Sie genossen die unüberschaubare Fülle an Früchten; und jener Baum im Zentrum sollte das alles noch übertreffen! Der trägt jährlich zwölfmal Früchte, jeden Monat neu; und die Blätter des Baumes haben Kraft zur Heilung.6
Kurz vor dem Ziel – was war das denn für ein eigenartiger Baum? Er trug einen ungewöhnlichen Namen: „Lignumque scientiæ boni et mali“. Na, der ist ja wirklich anders, knallig, abgehoben: die Blätter in Pink, der Geruch faulig-süß. Sehr interessant!
Sie schauten einander an: Der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen!
„Sind wir fündig geworden, soll das der Ursprung des Bösen sein?“
Wer sollte sich bei der Fülle von abertausenden unterschiedlicher, von Früchten sich überbietender Bäume noch interessieren für diesen abgefahrenen Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen? Außerdem hieß es in der Verfassung des Reservats: „Tausende Früchte sind genießbar, alle außer der Frucht von diesem Baum. Auf keinen Fall davon essen!“ Die Folgen wären tödlich, stand dort zu lesen.7
Vernünftige Menschen würden denken: Alles klar, es ist ohnedies unmöglich, den Ertrag all der anderen Bäume auch nur annähernd zu konsumieren, und eine Marmeladenfabrik lässt sich auch nicht so schnell aus dem Boden stampfen.
Bewusstseinserweiterung
Doch da gab es diesen Marketing-Spezialisten, der schaffte es, gerade diesem einen Baum ein USP zu verpassen, ein „einzigartiges Verkaufsargument“: zur hippen Blattfarbe kamen umlaufende LED-Displays, dazu eine super Akustik – man kam nicht umhin, aufmerksam zu werden. Schrill schallte es aus den Boxen: „Sollte jemand gesagt haben: ,Von all den Bäumen dürft ihr nicht essen‘?“

Unwillkürlich blieben die beiden stehen: Natürlich, sie aßen doch schon lange von all den Bäumen! Überall blinkte es. Faszinierend! … Die Frau fasst sich als Erste und widerspricht: „No, no, no, das stimmt so nicht! Nur von dem einen, genau diesem – ,Auf keinen Fall davon essen, das überlebt keiner!‘“ Von den Showeffekten fasziniert, lässt sie sich in eine Diskussion verwickeln.
Der Marketing-Spezialist
… er weiß, was er will: Unbedingt sein Produkt an die Frau bringen!
„Keineswegs werdet ihr davon sterben! Papperlapapp!“, beschwichtigt er. „Wer auch immer euch das verklickert hat, der weiß ganz genau: Sobald ihr davon esst, habt ihr den totalen Durchblick und ihr werdet seeein wieee Gooott“ – der Echoeffekt der Surround-Anlage zieht die Worte fast unerträglich in die Länge und der Schall geht durch Mark und Bein – „und ihr werdet erkennen das Guuute und das Böööse. Das wollte er euch nur vorenthalten, dieser Schuft.“ Hm, ein ganz neuer Gedanke: Gott, ein übler Schuft?
Verbotene Frucht?
„Wer auch immer euch das verklickert hat, der weiß:
Sobald ihr davon esst, habt ihr den totalen Durchblick und ihr werdet seeein wieee Gooott!“
Die Frau, angezogen von den taktisch präzise gesetzten Worten und fasziniert von den schlagkräftigen Argumenten, die Augen auf die Leuchtspirale fixiert, sah, dass die Frucht verlockend war. Lust stieg in ihr auf und das Begehren raubte ihr den letzten Widerstand, dazu kam die Aussicht auf Selbstfindung und Bewusstseinserweiterung – sie biss zu. Der Saft der prallen Frucht triefte ihr nur so vom Kinn herab. Schlürf … Sie gab ihrem Mann; und wie betäubt aß auch er davon.
Flash! – Die Bewusstseinserweiterung setzte schlagartig ein, wie eine Explosion: Ihre Augen wurden aufgetan. Was ihnen bis dahin verborgen war, traf sie nun wie ein Blitz. Die Selbstfindung durchdrang alles und die Bewusstseinserweiterung setzte mit voller Wucht ein: Sie erkannten, dass sie – naaackt waren. Welch unglaublich gigantische Erkenntnis, welch unvorstellbare neue Dimension!
Die unmittelbare Folge: Sie wurden aus dem ultimativen Reservat so etwas von hinauskatapultiert! Wie nach einem Flugzeugabsturz fanden sie sich in dürrer Steppenlandschaft wieder. Keine vitaminreichen Früchte von abertausenden Bäumen mehr, auf dem Speiseplan stand jetzt nur noch bitteres, blähendes Kraut zwischen Dornen und Disteln. Von da an wussten sie, was gut wäre und was böse ist. Aber nun hatten sie keine Wahl mehr. Sie waren aufgeklärt.
Aufgeklärt, wirklich?
Das war die Geburtsstunde des Humanismus: „Unabhängig von Gott, sein wie Gott!“ – „Der Mensch ist das Maß aller Dinge.“ Damals wurde der Mensch erstmals aufgeklärt; Jahrtausende später hat Immanuel Kant es so definiert: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“, die Befreiung von der Anleitung einer höheren Instanz, die sagt: „Esst das tödliche Zeug nicht!“, die Erlösung von der Bevormundung, dass man unter den zigtausenden genießbaren Früchten die eine tödliche Frucht nicht in den Mund nehmen darf.
Es sieht ganz danach aus, als wäre damals etwas gewaltig schiefgelaufen. Mit der nötigen Distanz könnte man sagen: Ätsch, hereingefallen! Aber diese Distanz haben wir bislang nicht. Wir sind alle voll davon betroffen. Wir, die komplette Menschheit, haben uns verarschen lassen! Mit Verlaub, aber eine salonfähigere Bezeichnung ist dafür einfach nicht zu finden: Aufgeklärt, aber verarscht! Schamlos betrogen.
Um das Ausmaß des Desasters besser zu verstehen, müssen wir noch einen Schritt zurückgehen: Gott schuf den Menschen in seinem Bild, ihm gleich, hieß es.8 Er schuf ihn ganz bewusst und trotz aller Genderideologinnen explizit als Mann und Frau, weil sie nur zusammen, einander ergänzend, dieses Gegenüber Gottes ausmachen. „Ihr werdet sein wie Gott!“ Ihnen wurde etwas „verkauft“, was sie bereits hatten. Himmelschreiend verrückt!
Aufgeklärt – und verarscht
vom Fürsten dieser Welt
Gott hatte sie in das Reservat der fruchtbaren Fülle gesetzt und ihnen den Auftrag gegeben, diesen Top-Zustand auf die ganze Erde auszudehnen: „Seid rentabel und multiplikativ!“ Sie sollten herrschen über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über die ganze Erde, heißt es in der Jobbeschreibung.9 Doch aus dieser Ordnung hatten sie sich mit einem faulen Marketing-Zauber herauslocken lassen; die Konkurrenz luchste ihnen das an sie übertragene Recht zu herrschen ab mit dem schillernden Versprechen: „Ich gebe euch die tolle Erkenntnis des Guten und Bösen“ – im Tausch gegen ihr gutes Recht, über die Erde zu herrschen. So wurde der Böse zum „Fürsten dieser Welt“ (schon mal gehört?). Im Gegenzug bemerkten die beiden, dass nackt waren. Welch ein Tausch!
Dabei waren sie ursprünglich erschaffen worden, um Söhne Gottes zu sein, weibliche und männliche Söhne. Und jetzt dieses Desaster! Doch umgehend wurde angekündigt, dass ein „letzter Adam“10 dieser linken Schlange den Kopf zertreten würde.11 Was auf Golgatha durch den Sohn Gottes denn auch geschah, damit alle jene, die heute durch den Geist Gottes geleitet werden, definitiv Söhne Gottes12 sind und in das Erbe einsteigen, das der Menschheit damals durch den üblen Trick geraubt wurde.
Die Tore zur Hölle
Hier schließt sich der Kreis: Man muss nicht mehr von diesem Baum der Erkenntnis essen. Der bietet höchstens Blähungen, macht aber nicht handlungsfähig. Es ist der leidige Versuch, mit der Vernunft das Paradies auf Erden zu schaffen – tatsächlich war es genau dadurch zerstört worden! Die Befreiung aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit – damit meinte man ursprünglich die Abhängigkeit von der Institution Kirche –, diese „Befreiung“ lief aus dem Ruder: Die Tore zur Hölle wurden aufgestoßen! Satanische Ideologien übernahmen die Bevormundung; den säkularen Utopien von Hitler, Stalin, Mao bis hin zu Neo-Marxisten sind in den letzten hundert Jahren über 400 Mio. Menschenleben zum Opfer gefallen.

Nach dem Sündenfall (1930)
Heute hat die ganze Schöpfung, alle Welt samt der Natur, ein sehnsüchtiges Verlangen, dass diese Söhne Gottes endlich real auf der Bildfläche unserer Welt erscheinen. Keine frommen Unterhalter! Denn diese Natur mit all ihren Katastrophen ist sich der Entropie, also der Vergänglichkeit, bewusst und weiß, dass sie nur durch die Herrlichkeit dieser Söhne Gottes daraus befreit werden kann.13 Nur wenn sich der ursprüngliche Sinn der Schöpfung erfüllt, gibt es Aussicht, dass etwas wirklich gut wird.
Werden Sie solch ein (weiblicher oder männlicher) Sohn Gottes, dann gibt es Hoffnung für Sie und Ihr Umfeld, denn die Folge ist: Gottes Wille wird geschehen können – dort, wo Sie leben –, wie er im Himmel geschieht: ohne Widerrede! „Wie im Himmel, so auf Erden“, sagen wir ja gelegentlich im Vaterunser, oft, ohne so genau zu wissen, wovon wir da reden.
Prüft aber alles,
das Gute haltet fest!14
1 Rutger Bregman, Im Grunde gut – Eine neue Geschichte der Menschheit, Hamburg: Rowohlt, 2021.
2 Hannah Arendt, Die Banalität des Bösen, Kapitel 13,
Piper Taschenbuch, 2007.
3 Markus 10,17. 4 Römer 7,19.
5 Römer 12,21. 6 Offenbarung 22,2.
7 1. Mose 2,17. 8 1. Mose 1,27.
9 1. Mose 1,26. 10 1. Korinther 15,45.
11 1. Mose 3,15; siehe auch Römer 16,20.
12 Römer 8,14. 13 Römer 8,19–21.
14 1. Thessalonicher 5,21.
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